Preisauslobung "Forschungen über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt Wasserburg a. Inn" (Stadtarchiv Wasserburg a. Inn)

Preisauslobung - Forschungen über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt Wasserburg a. Inn

Institution
Stadtarchiv Wasserburg a. Inn
Gefördert durch
Stadt Wasserburg a. Inn
PLZ
83512
Ort
Wasserburg a. Inn
Land
Deutschland
Bewerbungsschluss
12.03.2021
Von
Matthias Haupt, Stadtarchiv Wasserburg a. Inn, Stadtarchiv Wasserburg a. Inn

Mit dieser Preisauslobung soll die Entstehung einer geschichtswissenschaftlichen Studie über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt Wasserburg a. Inn unterstützt und realisiert werden.

Preisauslobung - Forschungen über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt Wasserburg a. Inn

Nach dem Machtantritt 1933 etablierte sich die nationalsozialistische Diktatur auch in der Stadt Wasserburg a. Inn schnell. Bis zum Juli verloren Mandatsträger der Parteien SPD und BVP ihre Ämter im Wasserburger Stadtrat. Gegnerinnen und Gegner des Unrechtsregimes wurden verfolgt. Denunziationen führten zwischen 1933 und 1945 zu Verhaftungen. Staatlicher und parteilicher Zwang wurde ausgeübt. Unrecht hatte im Nationalsozialismus viele Gesichter. Der Willkürstaat durchdrang alle Lebensbereiche.

„Als ich über die Brücke laufend meine Hand nicht zum Hitlergruß erhob, bekam ich eine Schelle vom Schülerheimdirektor, der ein überzeugter Nationalsozialist war..."

Diese Aussage eines Wasserburger Schülers der damaligen „Luitpold-Oberrealschule“ Wasserburg zu den Geschehnissen auf einem seiner Schulwege von der Altstadt zum Gymnasium um das Jahr 1940, ist vielleicht ein Stück weit sinnbildlich für viele offene Fragen zum Alltag der Menschen in Wasserburg während des Nationalsozialismus.

Der Vorgang steht stellvertretend für den Verlust des Grundrechts auf persönliche Freiheit. Verbote, Kontrollen und nationalsozialistische Lenkung wurden Bestandteil des Alltags. Sie wurden oft als selbstverständlich hingenommen und unter Umständen auch nach der Befreiung vom Nationalsozialismus nicht als Unrecht empfunden. Im Vergleich zu anderen Verbrechen des Nationalsozialismus wirkt die Züchtigung des Schülers oder ähnliche Vorgänge, die in einer Kleinstadt zum Alltag im Nationalsozialismus gehörten, vielleicht unscheinbar. Und doch sind sie Teil der Wellen an Gewalt, die sich zwischen 1933 und 1945 ereigneten.

Im Mittelpunkt der Studie, die einen umfassenden Ein- und Überblick über die gesamte Zeit des Nationalsozialismus in Wasserburg a. Inn geben soll, stehen u.a. auch Fragen zur NS-Ausgrenzungsgesellschaft vor Ort.

Fragestellungen und Themen (Gliederungsentwurf)

Es wird angestrebt, folgende Themenkomplexe zu bearbeiten :

Einführung in das Thema

Zeit der „Machtergreifung“
-Wie stieg die NS-Bewegung vor Ort auf und wie fasste sie gerade in den Anfangsjahren Fuß?
-Wie wurden die Wasserburger zum „Mitmachen" bewegt und welche Menschen wurden dabei ausgegrenzt?
-Wie wirkte sich das System der „Schutzhaft" in Wasserburg aus?
- Unmittelbare Auswirkungen der Ernennung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler.
- regionale/lokale Ergebnisse der Reichstagswahlen März 1933.
- Die Gleichschaltungsbestrebungen der Nationalsozialisten in der Wasserburger Stadtverwaltung sowie auf Kreisebene des Altlandkreises Wasserburg.
- Anpassungsdruck auf bürgerliche Kräfte.
- Ausgrenzung/Zerschlagung der übrigen Parteienlandschaft.
- Erste politische Opfer: System der „Schutzhaft“.
- Entwicklung der Zustimmung der Wasserburger zum Nationalsozialismus. Stadtverwaltung/Stadtrat/Staatliche Behörden (des Altlandkreises)
-Das Ende des Rechtsstaates und der Demokratie wirkte sich auch auf lokaler Ebene aus. Die Nationalsozialisten eroberten zuerst das Rathaus. Wie erging es den aus dem Mandat Vertriebenen? Welche Konsequenzen hatte die Abfrage der Parteizugehörigkeit bei Verwaltungsmitarbeitern?
- Wie regierten NS-Organisationen in die kommunalen und staatlichen Institutionen hinein?
- Öffentliche Verwaltung/Stadtverwaltung.
- Öffentliche Verwaltung/Kreis-, Finanzverwaltung u.ä.
- Sitzungen des Stadtrates 1933 und bis zum Jahr 1934, als die Phase der kommunalen Machtergreifung faktisch abgeschlossen wird.
- Die öffentliche Verwaltung von 1933-1945.
- Kommunalpolitik von 1933-1945.
- Die NSDAP und ihre Gliederungen vor Ort
- Ämter (Amtsinhaber und (Mit-)Täterschaft)

Wirtschaft und Kultur
- Umgestaltung von Betrieben, Gewerbe, Handwerk, Innungen und Vereinen im Sinne des Nationalsozialismus.
- „Nationalsozialistische Musterbetriebe“.
- Die (Kreis-)bauernschaft und die Kreisbauernführer.
- Die lokale Presse.
- Kultur vor Ort im Nationalsozialismus.
- Stadtgesellschaft im Nationalsozialismus
- Nationalsozialismus und Katholizismus in der ländlichen Kleinstadt Wasserburg a. Inn und im Altlandkreis

Feste und Propaganda (bis 1938/39)
- Große Gemeinschaftsveranstaltungen waren fester Bestandteil des Konzepts der NS-„Volksgemeinschaft". Wie gestaltete sich dies vor Ort?
- Aufmärsche/Großveranstaltungen (wie z.B. „Tag der Arbeit“/Bücherverbrennung).
- Kult um die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.
- Stadtjubiläum (800-Jahrfeier) und Kreistag 1938.

Gestaltung des städtischen Raums
- Stadtgestaltung und Umgang mit historischem Erbe
- Machtverhältnisse im Straßenbild.
- (vgl. oben: Stadtgestaltung im Rahmen des Stadtjubiläums)

Politische Verfolgung und Ausgrenzungsgesellschaft/Widerstand? (Opfer des NS)
- Politische Gegner wurde inhaftiert. Welche Fälle lassen sich für Wasserburg belegen?
- Neben den großen und inszenierten Gemeinschaftsveranstaltungen gehörten gleichermaßen auch Kontrolle, Zwang und Ausgrenzung zum Alltag. Denunziationen breiteten sich aus, die Repression im Staat förderte die Bereitschaft sich anzupassen. Wie lässt sich dies in Wasserburg nachvollziehen und welche Fälle lassen sich archivalisch noch belegen?
- Mut war erforderlich, sich gegen das NS-Regime zu stellen. Bei nicht angepasstem Verhalten drohte jedoch nicht immer eine Gefahr für Leib und Leben. Welche Wasserburgerinnen und Wasserburger zeigten Zivilcourage? Gab es aktiven politischen Widerstand, der hart bestraft wurde?

Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter (Opfer des NS)
Hierzu liegt bereits eine wissenschaftliche Studie vor, die in diese Gesamtdarstellung kritisch, ggf. auch weiterführend eingebettet wird.
(vgl. https://www.wasserburg.de/gedenken/startseite)

NS-„Euthanasie“ (Opfer des NS)
Hierzu liegen bereits wissenschaftliche Studien vor, die in diese Gesamtdarstellung kritisch, ggf. auch weiterführend eingebettet werden.
(vgl. ebenfalls https://www.wasserburg.de/gedenken/startseite)

Der Zweite Weltkrieg
- Kriegsvorbereitende Maßnahmen im Wasserburger Land.
- Kontakte zur Wehrmacht.
- Stützpunkte.
- Kriegsauswirkungen in der Wasserburger Bevölkerung ab 1. September 1939.
- Alltag unter Kriegserfordernissen.
- Lazarette.
- Kriegseinwirkung.
- Kriegsschäden.
- Kriegsopfer.
Das Ende des Krieges
Entnazifizierung
Hierzu liegt derzeit eine wissenschaftliche Studie in Druckvorbereitung/Redaktionslesung vor, die (soweit dann veröffentlicht zugänglich) in diese Gesamtdarstellung kritisch, ggf. auch weiterführend eingebettet wird.
Ausblick

Register

Aufgabenstellungen

Erstellung einer wissenschaftlichen, jedoch auch für Laien gut lesbaren, Abhandlung über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt Wasserburg a. Inn auf der Grundlage der Redaktionsrichtlinien des Stadtarchivs/des Historischen Lexikons Wasserburg im Umfang von mind. 800.000 Zeichen (mit Leerzeichen/ohne Anmerkungsapparat).

Erwartet wird ein einleitender Teil und die Beachtung des aktuellen Forschungsstandes mit dem Schwerpunkt für den hiesigen historischen Raum sowie eine Schilderung der Quellenlage.

Der Hauptteil der Arbeit soll die Auswertung der Quellenüberlieferungen der v.a. städtischen und auch staatlichen Archivverwaltungen sowie privater Betriebe, mögliche weitere private Überlieferungen und sonstige Quellen aus anderen Archiven und Einrichtungen zum Ziel haben. Weiterhin sind bereits durchgeführte (aber noch nicht publizierte und nicht transkribierte) Zeitzeugeninterviews einzubinden.

Ein Ausblick stellt den Umgang mit dem Thema in der Zeit nach der Befreiung vom Nationalsozialismus dar. Die Erarbeitung eines Registers erschließt die Studie.

Das Manuskript der Abhandlung wird dem Stadtarchiv zum Druck, zur Veröffentlichung bzw. ggf. auch zur Online-Publikation kostenlos und zeitlich unbefristet unter einer Creative Commons Lizenzierung überlassen. Es wird zudem angestrebt, Teilbearbeitungen neben der Gesamtdarstellung auch im Historischen Lexikon Wasserburg zu publizieren und entsprechend aufzubereiten.

Auf der Grundlage der schriftlichen Ausarbeitung wird im Zusammenhang der Veröffentlichung, welche über die Schriftenreihe des Stadtarchivs realisiert wird, mindestens ein Vortragsabend gestaltet. Hierbei werden die Ergebnisse ansprechend und auch für Laien gut verständlich präsentiert.

Zwischenberichte zum Arbeitsstand werden (je nach Bearbeitungsdauer) einmal jährlich nach Vergabe dieser Preisauslobung erwartet.

Zeitliche Perspektive/Bewerbung und Arbeitsskizze/Preisgeld

Für die Bearbeitung wird nach individueller Absprache eine Bearbeitungszeit von zwei bis max. vier Jahren eingeräumt. Die Arbeit kann/darf im Kontext wissenschaftlicher Ausbildung stehen. Die Preisauslobung für vorgenannte Aufgabenstellung richtet sich gleichwohl an freiberuflich tätige Historiker/innen (o.ä.). Eine Bewerbung als Arbeitsgemeinschaft ist möglich.

Über Details zur Quellenüberlieferung vor Ort informiert das Stadtarchiv Wasserburg a. Inn gerne, ebenso wird jedoch die eigenständige Quellenrecherche hier und in weiteren Einrichtungen und Archiven erwartet.

Um die Preisauslobung bewerben können Sie sich mit einem Motivationsschreiben, Ihrem (v.a. wissenschaftlichen) Lebenslauf, einer Leseprobe (ggf. auch Nachweisen bisheriger Veröffentlichungen in Auswahl sowie Referenzen der Vortragstätigkeit) und einer Arbeitsskizze bis 12.3.2021 beim
Stadtarchiv Wasserburg a. Inn
Kellerstr. 10
83512 Wasserburg a. Inn.
E-Mail: bewerbung.stadtarchiv@wasserburg.de

Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung ausschließlich elektronisch (per E-Mail) und als zusammenhängendes PDF ein.

Im Betreff der Mail nennen Sie bitte die Zeichenfolge: „Bewerbung-NS-WS-21-25“.

In der beizufügenden Arbeitsskizze erläutern Sie ggf., ob die Arbeitsleistung für Sie im Kontext ähnlich gelagerter Forschungsprojekte steht, in die Sie bereits eingebunden sind oder waren oder die sich bspw. aus Schwerpunktsetzungen im Rahmen der Hochschulausbildung ergeben. Falls Sie diese Preisauslobung mit einer wissenschaftlichen Arbeit verknüpfen wollen, die an einer Hochschule eingereicht werden soll (Masterarbeit, Dissertation o.ä.), so geben Sie dies bitte ebenfalls an und vergewissern sich, ob dies auch seitens Ihrer Hochschule möglich ist bzw. unterstützt wird.

Aus Ihrer Arbeitsskizze sollten weiterhin hervorgehen: Erläuterung Ihres Zeitplans, Möglichkeiten und Ziele des Recherchevorhabens, Aufzeigen eines ersten Gliederungskonzeptes der Arbeit, ggf. mit Erläuterungen und Begründungen, Aufzeigen der Möglichkeiten der Vernetzung und Kontextualisierung, ggf. auch Vorschläge, wie bspw. eine vergleichende Darstellung mit der Darstellung der Entwicklung des hiesigen Raumes verknüpft werden könnte, die über die hier aufgezeigte Grundskizzierung hinausgeht oder von dieser begründet abweichen will.

Die Arbeitsskizze wird maßgeblich sein, zur Beurteilung, ob und an wen die Preisauslobung vergeben werden kann.

Mit der Vergabe der Preisauslobung wird kein Beschäftigungsverhältnis begründet. Zur Definition von Rechten und Pflichten, die sich aus der Vergabe der Preisauslobung ergeben, wird ein Werkvertrag geschlossen. Die Bewerbung um das Preisgeld selbst wird nicht vergütet.

Das Preisgeld beträgt 18.000€.

Archivreise- und weitere Nebenkosten (wie bspw. Kopiergebühren etc.) werden gegen Nachweis und bis zu einem Höchstbetrag von 3.000€ im Gesamtprojekt erstattet. Aufwendungen für den Vortragsabend werden zusätzlich nochmals pauschal mit 150€ abgegolten. Satz und Druck der Ausarbeitung werden vom Stadtarchiv Wasserburg finanziert. Die Preisträgerin/der Preisträger erhält auf Wunsch bis zu 20 freie Belegexemplare. Das Stadtarchiv bringt sich unterstützend im Rahmen der Korrekturlesung des Manuskripts ein.

Kontakt/Fragen:

Ihr Ansprechpartner zu dieser Preisauslobung ist Stadtarchivar Matthias Haupt.

Stadt Wasserburg a. Inn
Stadtarchiv
Kellerstr. 10
83512 Wasserburg a. Inn
Telefon: +49 8071 920369
Telefax: +49 8071 920371
E-Mail: matthias.haupt@wasserburg.de

Internet:
www.wasserburg.de

www.stadtarchiv.wasserburg.de

www.gedenken.wasserburg.de

Kontakt

Stadtarchiv Wasserburg a. Inn
Kellerstr. 10
83512 Wasserburg a. Inn

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